Frankfurter Allgemeine

Investieren ist weiblich

Frankfurter Allgemeine – 23.06.2012 | von Dennis Kremer

Frauen an die Börse

Es ist ein kleiner, aber feiner Unterschied, auf den Susanne Kazemieh Wert legt. Die Chefin der Finanzberatung „Frauen Finanzgruppe“ in Hamburg berät seit 25 Jahren Frauen bei der Geldanlage und begegnet dabei einem Vorurteil immer wieder. Es lautet: Frauen trauen sich bei der Geldanlage nichts zu. Das stimme aber gerade nicht, sagt Kazemieh. „Frauen handeln zwar risikobewusst, sind aber keineswegs risikoscheu.“

Auch wenn dies zunächst nach Wortklauberei klingt: Die Unterscheidung ergibt Sinn. Risikoscheu ist ein Anleger nach Kazemiehs Definition nämlich dann, wenn er sich mit den Risiken der Geldanlage erst gar nicht beschäftigen möchte - und sein ganzes Geld blind auf dem Sparbuch parkt. Risikobewusstsein dagegen heißt, die Risiken kennen, die beispielsweise mit einem Investment in Aktien verbunden sind - und sich bewusst dafür oder dagegen entscheiden. „Frauen analysieren sehr genau, bevor sie ihre Wahl treffen“, sagt Kazemieh. „Und dann bleiben sie ihrer Entscheidung länger treu.“

Frauen stellen ihr Depot viel defensiver auf als Männer

Was die Beraterin bei ihren Kundinnen erlebt, deckt sich mit dem Ergebnis vieler Studien: Danach schichten Männer ihr Depot häufiger um. Sie nehmen laut einer Untersuchung der Direktbank DAB pro Jahr etwa doppelt so viele Transaktionen vor wie Frauen. Zu besseren Ergebnissen führt das aber häufig nicht: Gerade in unruhigen Börsenphasen ziehen die Frauen an den Männern vorbei. So war es laut DAB-Studie beispielsweise im Jahr der Lehman-Pleite 2008. Damals beendeten zwar beide Gruppen das schwierige Börsenjahr mit einem Verlust - aber Männer schlossen um deutliche 6 Prozentpunkte schlechter ab. Ein Grund für die weibliche Stärke in schwachen Marktphasen: Frauen stellen ihr Depot viel defensiver auf.

Wie vorsichtig Frauen insgesamt bei der Geldanlage sind, belegt auch eine aktuelle Umfrage der Marktforschungsfirma Forsa. Danach besitzen in Deutschland ein Fünftel der befragten Männer Aktien, aber nur etwa ein Zehntel der Frauen. Festgeldkonten dagegen sind bei Frauen beliebter als bei Männern.

Frauen sind vorsichtiger, weil sie weniger haben

Den Unterschied allein mit Klischees wie der männlichen Lust am Risiko zu begründen, greift zu kurz. Eine Studie des Forschungsinstituts DIW aus dem Jahr 2009 fand eine andere Erklärung: Danach legen Frauen vorsichtiger an, weil sie über weniger Geld verfügen. Bei gleichem Einkommen würden Frauen auch in gleichem Maße in Aktien investieren wie Männer, folgerten die Forscher.

Bis sich die Aktienquoten zwischen den Geschlechtern ausgleichen, dürfte es noch einige Zeit dauern: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verdienen Männer derzeit im Schnitt rund 700 Euro mehr im Monat als Frauen.

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