Interview mit S. Kazemieh
FG: Würden Sie unseren Kundinnen kurz vorstellen, was Ihre Motivation war, „ausgerechnet“ einen Mikrofinanzfonds aufzulegen? Mögen Sie dabei auch noch kurz etwas zu Ihrem beruflichen Werdegang sagen?
Edda Schröder: Nachdem ich meine Bankausbildung abgeschlossen hatte, bewarb ich mich bei der damaligen „Entwicklungshilfe“ in Bonn. Leider bekam ich eine Absage, da sie keine „Bankerin“ benötigen. So habe ich meinen beruflichen Werdegang bei deutschen Banken und internationalen Investmenthäusern fortgesetzt (JP Morgen Schroders).
2005 hat mich eine Freundin gefragt, wie man einen Investmentfonds aufsetzt, einen Mikrofinanzfonds. Die KfW wollte damals den ersten Mikrofinanzfonds für institutionelle Anleger auflegen. Ich habe mir das Thema genauer angesehen und war von dem Konzept „Hilfe zur Selbsthilfe“ und „Kleinstunternehmertum“ sofort begeistert. Kurzentschlossen habe ich gekündigt und im Jahre 2006 die Invest in Visions GmbH gegründet, um das Thema Mikrofinanz voranzutreiben. Allerdings waren damals nur Fonds in Luxemburg möglich und auch nur für sogenanntes „private placement“. Durch viel gemeinsame Lobbyarbeit mit anderen Interessierten wurde 2011 das Investmentgesetz geändert und man konnte in Deutschland Mikrofinanzfonds für Privatanleger auflegen. Diese Möglichkeit habe ich beim Schopfe gepackt und den ersten deutschen Mikrofinanzfonds aufgelegt.
FFG: Was ist die Besonderheit eines Mikrofinanzfonds im Vergleich zu anderen Investmentfonds wie Anleihen-, Aktien- oder Mischfonds?
Edda Schröder: Ein Mikrofinanzfonds vergibt Darlehen. Unsere Darlehensnehmer sind spezialisierte Finanzinstitute (Mikrofinanzinstitute/ MFIs), die sich auf die Zielgruppe: arme Menschen, ohne Sicherheiten, die keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen bekommen, spezialisiert haben. Diese Mikrofinanzinstitute wiederum vergeben Darlehen (50 USD – z.B. 20.000 USD) an Existenzgründer oder Kleinstunternehmer, die Kapital als Betriebsmittelkredite oder Investitionsdarlehen benötigen.
Mikrofinanzfonds korrelieren sehr gering mit den anderen Anlageklassen wie z.B. Aktien- und Rentenmärkten und weisen in der Vergangenheit eine stabile Rendite aus.
Hinzu kommt, dass bei einem Mikrofinanzfonds auch eine soziale Rendite einbezogen wird. Mit einem Darlehen an ein MFI helfen Sie und die Anleger anderen Menschen, sich eine eigene Existenz aufzubauen. Die Zielgruppe sind überwiegend Frauen. Frauen, die sich mit ihrem eigenen kleinen Unternehmen die Unabhängigkeit erkämpfen.
FFG: Wie können sich unsere Kund*inn*en das Prozedere vorstellen? Von der Investition in Anteile Ihres Mikrofinanzfonds wird das Kapital wie weitergeleitet an die Kreditnehmer in den jeweiligen Zielländern? Und in welche Länder werden aktuell überwiegend Mikrokredite vergeben? Hat sich die regionale Verteilung in den letzten Jahren geändert? Und wenn ja, was war(en) die Ursache(n)?
Edda Schröder: Der IIV Mikrofinanzfonds ist derzeit in 86 Mikrofinanzinstituten und 33 Ländern investiert. Die Auswahl hängt zum Großteil von der Nachfrage in dem Land ab, aber auch von der politischen Situation in den Ländern und dem dortigen Kapitalmarkt. Nicht in alle Länder können wir ohne weiteres Darlehen vergeben. Wir sind in Regionen wie Lateinamerika, Mittelamerika, Zentralasien, Südostasien, Afrika etc. investiert. Z.Zt. sind die 5 größten Länder Ecuador, Usbekistan, Kirgisistan, Mongolei und Mexico. Vor 4 Jahren war Kambodscha noch führend. Allerdings gab es dort einige Verwerfungen im Mikrofinanzmarkt, so dass wir dort unser Engagement heruntergefahren haben.
So funktioniert die Vergabe von Krediten
Der IIV Mikrofinanzfonds vergibt das von den Investoren in den Fonds investierte Kapital an ausgesuchte Mikrofinanzinstitute in Entwicklungsländern. Diese wurden nach sorgfältiger Prüfung bezüglich verschiedener Faktoren ausgesucht, beispielsweise Geschäftsphilosophie, Methodik, sozialer, ökologischer und ethischer Nachhaltigkeit, aber auch Profitabilität. Anschließend baut Invest in Visions eine intensive und vertrauensvolle Partnerschaft mit diesen Instituten auf und vergibt Darlehen an sie. Die MFIs investieren das Kapital in arme Menschen mit tragbaren Geschäftsideen, die vom traditionellen Finanzmarkt ausgeschlossen sind. Es sind Betriebsmittelkredite oder Investitionskredite. Hier geht es um das Thema „Hilfe zur Selbsthilfe“. Vielen Menschen schaffen es, sich durch den Aufbau einer eigenen Existenz aus der Armut zu befreien, ihren Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen und Wohlstand zu generieren. Diese Kleinunternehmer/innen werden während des gesamten Prozesses intensiv betreut und unterstützt. Sie zahlen in kurzen Abständen Zinsen und nach einer bestimmten Periode den Kredit an das MFI zurück. Oftmals wird eine enge Bindung zwischen MFI und Kunden aufgebaut und ein weiterer Kredit zum Ausbau des Geschäftes ausgegeben.
Die Zinsen für die ausgegebenen Darlehen werden von den Mikrofinanzinstituten halbjährlich oder jährlich an den Fonds gezahlt. Nach vorher vereinbarter Laufzeit zahlen die Mikrofinanzinstitute die ausgegebenen Darlehen an den Fonds zurück. Die zurückgezahlten Darlehen werden wieder neu aus dem Fondsvermögen an andere Mikrofinanzinstitute vergeben.
Mikrofinanzfonds weisen eine 2fache Rendite aus: die finanzielle als auch eine soziale!
FFG: Interessant für viele Kund*inn*en wird die Frage sein – hat der Mikrofinanzfonds mit dem Thema Nachhaltigkeit etwas zu tun?
Edda Schröder: Nachhaltig investieren bedeutet in ökologische, soziale und ethische Geldanlagen zu investieren. Mikrofinanzfonds sind wirkungsorientierte Geldanlagen im sozialen Bereich. Mit einer Investition in Mikrofinanz kann die Armutsgrenze reduziert, die Unabhängigkeit von Frauen gefördert, Unternehmertum aufgebaut und Arbeitsplätze geschaffen werden.
FFG: Und wie sicher sind die Mikrokredite bzw. wie hoch sind die Ausfallraten?
Edda Schröder: Ein Risiko im Bereich Mikrofinanz ist das Ausfallrisiko auf Seiten der/s Darlehensempfängerin/s beziehungsweise dort der/s Endkreditnehmerin/s. Im Portfoliomanagement beugen wir dem Risiko vor durch unsere enge und vertrauensvolle Arbeit mit den MFI”˜s und Advisors, die die Mikrofinanzinstitute für uns vorab auf ihre Stabilität, Rücklagen und das eigene Betreuungsprogramm für die Endkreditnehmer/in prüfen. Die Betreuung der Endkreditnehmer/in erfolgt durch Loan Officer der MFI’s, die nicht nur mit den Kund*inn*en einen Geschäftsplan erarbeiten, sondern insgesamt einen intensiven Kontakt aufbauen, sie/ihn regelmäßig in ihrer/seiner Betriebsstätte besuchen und mit ihr/ihm die Geschäftsentwicklung wie auch die Kreditrückzahlung besprechen.
Nicht immer sind Krisen oder Hindernisse selbstverschuldet. Erdbeben, klimatische Extreme oder auch politische Ereignisse können Auswirkungen auf die Arbeit eines MFI haben. Deswegen setzen wir auf langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Das Portfoliomanagement des IIV Mikrofinanzfonds besteht aus einem internationalen mehrsprachigen Team mit viel Wissen über die unterschiedlichen Anlageregionen. Neben einer eingehenden Prüfung der individuellen Länderrisiken analysiert das Team die MFS-spezifischen Risiken vor Ort und greift dabei auf seine langjährige regionale Expertise zurück.
Die Rückzahlungsquoten der Endkreditnehmer lagen in der Vergangenheit bei ca. 97% p.a.
FFG: Kommen wir auf die aktuelle Situation zu sprechen – das Corona-Virus breitet sich ja auf der ganzen Welt aus. Aus einigen Ländern können wir nahezu im Minutentakt nachverfolgen, wie hoch die Zahl der Infizierten ist. Die Weltwirtschaft wird angesichts der häufig vorgenommenen Kontaktbeschränkungen sehr stark getroffen sein. Wie sieht es in den Zielländern des Mikrofinanzfonds aus? Was für Maßnahmen haben Sie ergriffen?
Edda Schröder: Als Reaktion auf die außergewöhnliche Situation haben wir die Mikrofinanzinstitute (MFIs) unseres Portfolios kontaktiert und vereinbart, dass uns alle Institute ab sofort einen detaillierten monatlichen Risikobericht zu den Auswirkungen der Corona-Krise zur Verfügung stellen. Damit können wir eine noch engere Überwachung unserer Darlehensbestände sicherstellen. Zudem profitieren wir davon, dass lokale Berater/innen in Afrika, Asien und Lateinamerika vor Ort sind und tagesaktuelle Marktdaten aus erster Hand bereitstellen. Gerade jetzt ist der enge Kontakt zu unseren lokalen Partnern ein wichtiger Faktor. Außerdem halten wir im Portfolio des IIV Mikrofinanzfonds ausreichend Liquidität vor, um auf Veränderungen im Markt reagieren zu können.
Engmaschigeres Berichtsnetz geknüpft
Unser Ziel ist es, die Partner in dieser herausfordernden Zeit zu unterstützen. Wir müssen verstehen, welche Folgen die Epidemie in allen 33 Ländern unseres Portfolios haben wird und gemeinsam mit den MFIs die notwenigen Schritte einleiten, um mögliche wirtschaftliche und soziale Schäden abzuwenden. Denkbare und sozialverträgliche Maßnahmen wären Kreditrestrukturierungen und die individuelle Anpassung geplanter Auszahlungen. Wir erwarten, dass die kommenden Monate eine Herausforderung für alle werden – für die Endkunden, die MFIs, unsere Geschäftspartner und uns als Unternehmen. Jedoch sind wir gut vorbereitet, uns diesem schwierigen Umfeld zu stellen und gemeinsam mit unseren Geschäftspartnern individuelle Lösungen zu entwickeln, um negative wirtschaftliche und soziale Auswirkungen dieser Krise bei unseren Zielinvestments abzuwenden.
Zentrale Maßnahmen zur Eindämmung der Krise
Obwohl die Zahl der Infizierten in den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern noch relativ niedrig ist, bleibt es schwierig zu prognostizieren, wie sich die Pandemie entwickeln wird. Viele Länder haben frühzeitig umfassende Einschränkungen des öffentlichen Lebens veranlasst, um zur Eindämmung der Infektionen beizutragen. Ergänzend haben die Regierungen verschiedene geld- und fiskalpolitische Maßnahmen eingeleitet, um die nationale Wirtschaft zu unterstützen. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen haben die Länder, in denen der IIV Mikrofinanzfonds aktiv ist, immer wieder ihre Krisenresilienz unter Beweis gestellt. Diese Eigenschaft wird den MFIs auch in der aktuellen Situation helfen.
FFG: Liebe Frau Schröder – vielen Dank für dieses informative Interview!